Wirtschaftskrise erfasst auch Privatquartiere

Touristikinformation verzeichnet eine steigende Nachfrage, aber auch ein größeres Zimmerangebot - Neuer Katalo

Die Hotels klagen über wachsende Konkurrenz und sinkende Gästezahlen in Zeiten der Wirtschaftskrise. Auch viele private Zimmeranbieter kämpfen mit geringerer Nachfrage. Das Angebot steigt aber auch in diesem Unterkunftssegment weiter.

Wie viele private Zimmer und möblierte Gästewohnungen in Stuttgart und Umgebung tatsächlich angeboten werden, weiß niemand genau. Tatsache ist aber seit einiger Zeit, dass die Alternative zum Hotel zunehmend gefragt ist. Darauf weist Touristikchef Klaus Lindemann bei jeder Gelegenheit hin, denn diese Buchungszahlen schlagen sich zu seinem Leidwesen nicht in der offiziellen Beherbergungsstatistik nieder. Und im Gegensatz zu Hotelzimmern sind Privatquartiere in der Touristikinformation auch nicht buchbar. Angeboten werden sie gleichwohl, seit kurzem sogar mit einem eigenen "Apartments & Zimmer"-Prospekt. Er ersetzt die alte Quartierliste und soll künftig besser strukturiert und mit Nahverkehrsinfos ergänzt werden.

"Die Anfragen nach Privatquartieren haben sich bei uns seit 2007 nahezu verdreifacht", sagt die i-Punkt-Chefin Annerose Berner, "zwischen Mai 2008 und Mai 2009 waren es 35 000". Auch die Zahl der registrierten Anbieter sei auf 49 gestiegen, und weitere Vormerkungen für den nächsten Prospekt gebe es auch schon. Die Nachfrage nehme vor allem bei Messeausstellern und Aushilfskräften auf Weindorf und Volksfest zu. Ob die Nachfrage freilich mit dem Angebot Schritt halten wird, bleibt abzuwarten. Inzwischen spüren nicht nur noble Hotels die Wirtschaftskrise, auch viele private Anbieter kämpfen ebenso wie preiswerte Hotels mit sinkender Nachfrage, zunehmender Konkurrenz und wachsendem Druck auf die Preise.

"Bis Februar lief es echt gut, aber seit einem viertel Jahr haben wir deutlich weniger Anfragen", sagt Konstanze Zierer. Mit ihrer Agentur B & B happy vermarktet sie rund 100 Privatquartiere in Stuttgart und in der Region, die Nacht ab 17 Euro aufwärts. Die Gründe für die Talfahrt liegen für sie auf der Hand: "Zeitarbeit ist komplett weggefallen, und Monteure kommen auch viel weniger." Wie schnell sich der Wind dreht, bekam sie zu spüren, als Daimler-Chef Dieter Zetsche jüngst verkündete, dass Fremdfirmen abziehen müssten. "Da hatte ich bereits nachmittags fünf Stornierungen", sagt Zierer.

Auch bei der Konkurrenz Schwaben-Stern mit 120 Objekten schlägt die Krise auf die privaten Zimmeranbieter durch. "Die Nachfrage ist um 60 bis 70 Prozent eingebrochen", beklagt Agenturchefin Carmen Maier und nennt die gleichen Gründe. Auch ändere sich das Buchungsverhalten. "Die Leute werden vorsichtiger, buchen häufiger keinen Monat, sondern nur von Montag bis Freitag", sagt Maier. "Man merkt, auch die Firmen müssen kalkulieren", beobachtet auch die Privatvermieterin Elvira Nüssle. "Das Geschäft ist härter geworden, die Krise spürt man." Dem pflichten auch andere Privatvermieter bei, die mal zwei, mal zehn Unterkünfte anbieten. "Vor zwei Jahren musste ich von zehn Anfragen neun absagen, heute bin ich froh, wenn ich die Betten füllen kann", stellt Vermieter Jochen Müller fest.

Andere Betriebe hingegen trotzen der Wirtschaftskrise. "Ich merke davon nichts", sagt Vermieterin Elisabeth Frey und verweist auf gute Firmen in der Kundendatei. Die Nachfrage sei größer als das Angebot. Das sieht auch Bettina Ostertag so. "Wir haben keine Probleme", sagt sie und vermutet, dass dies nicht zuletzt an der guten Lage ihrer Apartments im Stadtzentrum liege. "Außerhalb wäre es schwieriger."

Dass die Krise auf die Preise drückt und die Abwärtsspirale sich nicht nur bei den noblen Hotels längst dreht, darüber will naturgemäß keiner gern sprechen. Da stehen Privatvermieter den Hotelliers wenig nach. Tatsache ist freilich, dass leere Betten die verlustreichsten sind. Unter den Hotels hat deshalb unter dem Druck der Krise und der nach wie vor zunehmenden Konkurrenz der Billigketten längst eine neue Rabattschlacht begonnen, wie Brancheninsider berichten. Auch Anbieter von Zimmern mit nur zwei oder drei Sternen mischen da kräftig mit - manche so kräftig, dass selbst die Touristeninformation von Dumpingpreisen spricht, die "nicht gut" seien. Besonders kritisch beäugt werden dabei die mittlerweile sechs Häuser der Hotelgruppe Erkurt (Astoria, Espenlaub, Merit, Mack, Hansa und seit kurzem auch das ehemalige Bergmeister), die Einzelzimmer schon ab 35 Euro anbieten.

"Wenn alle Hotels leer stehen, dann reagiert er schnell und geht runter mit dem Preis, aber man kann nicht alles über den Preis regeln", mokiert sich i-Punkt-Chefin Berner. Hotelchef S. Erkurt wehrt sich gegen derlei Vorwürfe und Branchenneid. "Ich führe die Hotels preisgünstig und möchte, dass die Gäste wiederkommen, das war schon immer mein Geschäftskonzept", betont er. Im Übrigen gingen alle im Preis runter, den Anfang hätten vor Jahren die großen Billigketten gemacht.

Dass günstige Quartiere aber doch eher zu den Gewinnern zählen könnten, lässt der Umstand vermuten, dass er die Kapazität seines Astoria-Hotels im Hospitalviertel, wie berichtet, mit einem Neubau nochmals verdoppelt. Zu den Gewinnern wollen auch die privaten Anbieter spätestens dann wieder gehören, wenn mit Stuttgart 21 begonnen wird und viele Firmen Quartiere suchen werden. "Stuttgart 21 ist zurzeit mein Strohhalm", sagt Agenturchefin Carmen Maier.

Von Hildegund Oßwald
Quelle: www.stuttgarter-zeitung.de